Hallo zusammen,
bevor man irgendwelche Lasten berechnet, ist ein V-n-Diagramm zu erstellen. Dieses Diagramm zeigt alle Flugzustände, die man sicher erfliegen darf. Das bedeutet, dass man darin kompakt alle zu beachtende Lastfälle findet. Daher ist es der Ursprung aller Festigkeitsberechnungen. Unser aktuelles V-n-Diagramm sieht wie folgt aus:
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Es enthält zwei Belastungsarten in einem zusammengefasst: Abfang- und Böenlasten. Meistens ist der Böenlastfall bei einer 15 m/s Böe und der Bemessungsgeschwindigkeit VB kritisch. Hier nicht aufgezeigt sind die unsymmetrischen Lastfälle, d.h. die mit Querruderbetätigung. Meistens ist die Betätigung des Querruders bei der Bemessungsgeschwindigkeit VD bezüglich der Torsion kritisch, wobei der Böenlastfall VB oder die Betätigung von Flügelklappen unter Umständen etwas mehr Torsion erzeugen können. Daher müssen in der Regel alle Fälle betrachtet und bezüglich der Belastung verglichen werden.
Wir haben keine Wölbklappen und betrachten erstmal nur den typischen Böenlastfall. Oft sind die Lastvielfache im Böenlastfall höher als das sogenannte Abfanglastvielfache. Das letztere Entsteht, wenn man volles Höhenruder (bzw. Tiefenruder) bei der Bemessungsgeschwindigkeit VA (bzw. VG) gibt. Er ist von den Bestimmungen für ULs auf n1=4 festgelegt (bzw. auf n4=-2,0) . Das Lastvielfache kann bei einer Böe höher liegen, wenn das Flugzeug z.B. einen hohen Auftriebsanstieg hat, d.h. wenn eine Anstellwinkeländerung viel Änderung des Auftriebs erzeugt. Macht irgendwie aus dem Bauch Sinn, dass ein Flugzeug mit wenig Auftriebsanstieg durch eine Böen hindurch fliegen kann, ohne gleich viel drauf zu reagieren, während ein Flugzeug mit viel Auftriebsanstieg (z.B. Segelflugzeuge), nahezu in einem Aufzug hineinfliegt und stark auf die Böe reagiert.
Hier kommt wieder die Besonderheit eines gepfeilten Nurflügels zum Vorschein. Durch die Pfeilung ist der Auftriebsanstieg trotz guter Segeleigenschaften kleiner als im nicht gepfeilten Flügel. Dehalb ist das Böenlastvielfache kaum größer als das Abfanglastvielfache. Der Flügel geht einfach durch die Böen hindurch. Das bedeutet nicht, dass es nicht zu einer deutlichen Anstellwinkeländerung dabei kommt. Diese erzeugt aber eine geringe Auftriebsänderung, sodass man mit einem geringerem "Aufzugsgefühl" durch die Böe hindurch kommt. Das kann natürlich bei schwache Thermik für Segler nachteiliger sein. Für ein schneller Segler oder ein Motorflugzeug, dürfte das aber das sogar erwünscht sein.
Grundsätzlich geht man von Ecke zu Ecke im V-n-Diagramm durch, man bestimmt die im vorigen Post genannten Schnittreaktionen und die daraus resultierenden Gurtspannungen, Schubspannungen in Holmstegen, usw. Dazu vereinfacht man die Struktur des Flugzeugs soweit wie möglich auf Gurte, die axiale Kräfte aufnehmen können, und Schalen/Stege, die nur Schübe aufnehmen können. Üblicherweise ist der Aufbau mit einem Kastenholm sehr einfach. bei uns sieht es je nach Lage wie folgt aus:
- schubmittelpunkt.png (52.18 KiB) 6236 mal betrachtet
Irgnorieren wir erstmal, die Angaben zum Schubmittelpunkt und der neutralen Faser. mir ging es erstmal nur um den Profilschnitt unten rechts im Bild: Eine D-Box und bis zu drei Holme.Die D-Box und der Schubsteg des Hauptholms sind mit einander verbunden, sodass eine gemeinsame Betrachtung von Nölten ist. Ein Statiker würde sagen, dass das System überbestimmt ist und man durch Hinzunahme der Steifigkeiten die Lasten bestimmen muss.
Ich erinnere das eigentlich Zeil: Sind unsere aktuelle Holmbrücken ausreichend? Um das zu beantworten, müssen leider alle Lasten mehr oder weniger bekannt sein. Grob gesagt, man muss die Festigkeit des Flügels auslegen und erst dann kennt man die Lasten, die in die Holmbrücken eingeleitet werden. Auch wenn ich hier anscheinend abschweife, geht es erstmal nur um die Holmbrücken. Wenn man nur einen Holm hat, wird das Biegemoment und die Quekraft vom einzigen Holm aufgenommen, d.h. die Berechnung der eingeleiteten Lasten ist unter Kenntnis der Luftkräfte recht einfach zu bestimmen, sie können ja nur in den einen Holm eingeleitet werden. Wenn man mehr als einen Holm hat, kommt natürlicherweise die Frage auf: Wer nimmt wieviel der Quekraft und des Biegemoments auf? Sprich, wie verteilt sich die Last in der Struktur auf. Das ist essenziell zu kennen, denn das schwächste Glied in der Kette bestimmt bekannterweise die Festigkeit vom Verbund: Ein super steifer und fester Hauptholm bringt nichts, wenn die kleine Schrauben hinten links bricht, sich der Flügel daraufhin drehen kann und alles dann versagt.
Als nächstes müssen die Schnittreaktionen wie erwähnt auf die unterschiedliche Holme verteilt werden. Erst dann wissen wir wieviel Kraft eingeleitet wird. Die Holmbrücken sind klassische Fachwerke und können mit freien Programmen oder wenn es sein muss auch per Hand berechnet werden.
@Tim: Gerne, Eigenkonstrukteure haben es nicht einfach. Sich verändernde Bestimmungen haben sicherlich den einen oder andere Erbauer schon geärgert
Viele Grüße,
Andrés