Die UL-Bauvorschrift fordert laut §629 einen Standschwingversuch mit anschließender Flatterrechnung für alle Luftsportgeräte welche eine Auslegungshöchstgeschwindigkeit von VD > 200km/h haben. Das ist gleichbedeutend einer VNE von > 180km/h.
So ein Standschwingversuch (engl.: Ground Vibration Test - GVT) und die anschließende Rechnung sind ein ziemlich großer Aufwand und in der Regel auch nur von Spezialisten in wertvoller Weise durchzuführen. Es braucht auch etwas Erfahrung in der Materie, um das gut zu machen. Für eine Musterzulassung müssen die durchführenden Institutionen anerkannt sein.
Nun fragt sich der Amateurflugzeugbauer was er da machen soll.
Die Durchführung eines Standschwingversuches und der Flatterrechnung ist ohne Zweifel von Aufwand einem üblichen Einzelstück nicht angemessen. Die Kosten für diese Dienstleistung liegen, soweit ich gehört habe, zwischen 7000,- Euro und open End (Stand 2020).
Nun ist es zum einen so, dass bestimmte Eigenschaften eines Flugzeug es tendenziell anfälliger für Flatterprobleme machen und andere weniger. Für ein Einzelstück kann man auf dieser Grundlage argumentieren.
Flattern ist in der Regel die Kopplung verschiedener aeroelastischer Verformungen der Flugzeugzelle. Kopplung bedeutet dabei so viel wie, dass zwei Verformungen wie zum Beispiel, 1. Flügelbiegung und 2. Querruderausschlag, sich gegenseitig in einer Schwingung unterstützen. So wird der sich nach oben biegende Flügel durch ein nach unten ausschlagendes Querruder unterstütz. Schlägt das Querruder dann am oberen Totpunkt der Flügelbiegung um nach oben, so treibt es die Flügelbiegung nach unten an usw.
Ein Problem wird das erst dann, wenn die Eigenfrequenzen der Flugzeugstruktur (hier Flügelbiegefrequenz und Querruderfrequenz) nah beieinander liegen und es einen Geschwindigkeitsbereich gibt in dem auch die Fluggeschwindigkeit zu diesen Frequenzen passt. Wenn Alles zusammen passt gibt es einen so genannten Resonanzfall und selbst die kleinen Anfachungen der Schwingung führen zu immer wieter wachsenden Amplituden (Auslenkungen) der Schwingung - bis die Struktur versagt und bricht. Das ist dann die Resonanzkatastrophe.
Wie man sieht sind also Frequenzen hier das A und O. Je höher die Eigenfrequenzen der Struktur werden desto höher muss die Fluggeschwindigkeit für eine passende (kritische Anregung sein).
Die Eigenfrequenzen ergebn sich aus dem Design der Flugzeugstruktur. Insbesondere die Steifigkeit eines Bauteils und dessen Masseverteilung bestimmen die Frequenz in der es am liebsten, also mit wenig Energiezugabe, schwingt - seine Eigenfrquenz.
Ganz einfaches Experiment dazu:
Ein simples gerades Schullineal (30cm) wird am einen Ende mit der Hand flach auf den Tisch gedrückt, so dass der größte Teil des Lineals über die Tischkante hinaussteht (ca. 20 bis 25cm). Dann wird das Lineal mit der anderen Hand am freien Ende herunter gedrückt (in eine Auslenkung gebogen) und dann mit einem Schnipp plötzlich freigelassen. Anschließend schwingt das Lineal brrrrrrrrr... in seiner Eigenfrequenz. Wird am Ende des Lineals nun mit Tesafilm eine schwere Münze oder ein Radiergummi befestigt und der Versuch wiederholt, so bemerkt man eine Verringerung Eigenfrequenz des Lineals. Das ist der Effekt der Massenverteilung. Viel Masse dort wo die Auslenkungen groß sind verringert die Frequenzen.
Wird auf das lineal nun mit doppelseitigem Klebeband ein zweites identisches Lineal geklebt und der Versuch wiederholt, so ist natürlich die Auslenkung schwieriger aber ebenfalls schwingt "dieses doppelt so dicke Lineal" nun aber mit deutlich höherer Frequenz als das dünne zuvor. Grund ist die erhöhte Steifigkeit des dicken Lineals. Das ist der Effekt der Steifigkeit.
In der Regel liegen Flugzeugstrukturen mit Ihren Eigenfrequenzen so hoch, dass es erst bei höheren Geschwindigkeiten innerhalb Ihres Betriebsbereichs zu Flatterproblemen kommt. Bei Leichtflugzeugen in den üblichen Bauweisen geht man offenbar davo aus, dass solche Probleme erst ab 200km/h auftreten. Diese Herkunft dieser Grenze sehe ich in Ihrer Herkunft empierisch und statistisch. Physikalisch wäre es schwierig so genau einen Wert festzulegen. Dafür sind die Ausführungen der Flugzeuge im Detail zu verschieden.
Aus dem zuvor gesagten erkannt man, dass eine Flugzeugstruktur, die hohe Steifigkeiten besizt und dessen Masse sich nicht in Konzentrationen weit weg vom Gesamtschwerpunkt befindet, in der Regel recht hohe Eigenfrequenzen besitzt und daher sehr schnell fliegen muss, damit Flatterprobleme auftreten.
Interessant ist dabei, dass für die Flatteranregung die wahre Fluggeschwindigkeit (True Airspeed : TAS) ausschlaggebend ist und nicht die äquivalente bzw. kalibrierte oder angezeigte Geschwindigkeit (Indicated Airspeed : IAS). Macht aber Sinn, da nur die wahre Fluggeschwindigkeit aussagt mit welcher Geschwindigkeit die Luftteile wirklich die Flugzeugstruktur passieren.
Bei üblichen zweisitzigen motorisierten Sportflugzeugen mit Flügelstreckungen um die 6 und Profildicken ab 12%...
Hier wird noch weitergeschrieben!! Danke für die Geduld!
Flatternachweis am UL-Einzelstück
Re: Flatternachweis am UL-Einzelstück
Hallo Tim,
bin auf die Weiterführung gespannt! Mit 600 kg MTOW werden die VD > 200 km/h nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel werden. Für Einzelstücke oder Kleinhersteller ist ein mandatory Standschwingversuch eine echte Hürde. Eine nummerische Untersuchung geht kaum mit verwertbaren Ergebnissen: Sie ist nicht nur kompliziert, weil man zwei unterschiedliche Domänen mit ganz anderen Gleichungen verbinden muss, d.h. Strömungsmechanik und Elastizitätstheorie, und man diverse Flatterfälle hat (Querruder/Torsion, Biege/Nick, usw.), sondern auch weil man kaum die wichtigen Parameter realistisch abschätzen kann: insbesondere Masseverteilung und Dämpfungen. Nicht umsonst hat man zumindest früher in der Industrie gerne ein aufwendiges Modell gebaut und vermessen. Meiner Meinung nach kann das Flatterverhalten auch vorsichtig in der Flugerpobung überprüft werden. Es wäre schön, wenn die Bestimmungen das auch vorsehen würden und nicht gleich folgendes verlangen:
Andrés
bin auf die Weiterführung gespannt! Mit 600 kg MTOW werden die VD > 200 km/h nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel werden. Für Einzelstücke oder Kleinhersteller ist ein mandatory Standschwingversuch eine echte Hürde. Eine nummerische Untersuchung geht kaum mit verwertbaren Ergebnissen: Sie ist nicht nur kompliziert, weil man zwei unterschiedliche Domänen mit ganz anderen Gleichungen verbinden muss, d.h. Strömungsmechanik und Elastizitätstheorie, und man diverse Flatterfälle hat (Querruder/Torsion, Biege/Nick, usw.), sondern auch weil man kaum die wichtigen Parameter realistisch abschätzen kann: insbesondere Masseverteilung und Dämpfungen. Nicht umsonst hat man zumindest früher in der Industrie gerne ein aufwendiges Modell gebaut und vermessen. Meiner Meinung nach kann das Flatterverhalten auch vorsichtig in der Flugerpobung überprüft werden. Es wäre schön, wenn die Bestimmungen das auch vorsehen würden und nicht gleich folgendes verlangen:
Viele Grüße,Für Flugzeuge deren VD größer als 200 km/h ist, ist vor Durchführung der
Flugschwingversuche ein Nachweis der Flatterfreiheit bis 1,2 * VD durch einen
Standschwingversuch und anschließender Flatterrechnung zu erbringen.
Andrés