Nurflügel Schneewittchen

Flugzeuge selbst erdacht
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Andres
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Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Andres »

Hallo zusammen,

ich mach mal einen Anfang: Seit etwas 2015 konstruieren und bauen wir an unserem Horten-Nurflügel Schneewittchen. Davor waren diverse 1:X Holzmodelle in der Luft, bis wir die Idee mit einem Manntragenden konkretisierten. In 2015 sind wir umgezogen und haben seitdem – zwar etwas bescheiden aber – Bauplatz: Eine Garage, Werkstatt und einen Bauraum. Wir kommen langsam aber stetig voran. Bisher haben wir nur am "Rumpf"-Mittelstück gearbeitet. Die Bauweise ist Kunststoff, mit Kohlefaser, Glasfaser, Aramid, Vectran, Airex, Waben, usw. Sprich Leichtbau. Der Grund ist, dass der Flieger etwa 260 kg maximale Abflugmasse hat und ein Leergewicht von weniger als 120 kg haben soll. Antrieb ist elektrisch. Wir haben bereits einen Geiger Engineering HPD16 und MC300 Inverter gekauft. Neulich haben wir sogar Laufversuche mit dem Motor und Prop gemacht. Wenn alles wie geplant klappt, werden wir dieses Jahr mit den Flächen anfangen.

Hier erstmal eine Dreiseitenansicht, aktueller Zustand und ein Video vom Laufversuch des Antriebs:
Dreiseitenansicht_simple_oc.png
Dreiseitenansicht_simple_oc.png (31.31 KiB) 6690 mal betrachtet
P1180747_m.JPG
P1180747_m.JPG (90.03 KiB) 6690 mal betrachtet


Mehr gibt's später!

Viele Grüße,
Andrés
Zuletzt geändert von Andres am 10 Mai 2021, 12:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Admin »

Wie ich wohl schon sagte, ein tolles Projekt!
Ich verfolge es gespannt.
Viele Grüße, Tim.
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Christofer
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Christofer »

Ich staune auch gerade. Die Horten Nurflügler brachten auch bei mir einiges an Faszination mit sich als ich mit Ihnen Im Jugendalter Bekanntschaft machte und ich fragte mich schon damals warum es nur sowenige Nurflügler gibt, aber das ist ja mal ein abgefahrenes Projekt. Sollte es zum Jungfernflug kommen, bitte hier posten, es wäre ein Grund mal nach Stuttgart zu fliegen und sich das Live anzuschauen :D
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Admin »

Hallo Andrés,

wie hast Du den Winkel der Propeller-Schubachse bestimmt?
Viele Grüße, Tim.
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Andres
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Andres »

@Christofer: Nurflügel im Allgemeinen haben ihre Tücken. Einige ihrer Konzepte sind aber abgewandelt sogar in Großraumflugzeuge zum Einsatz gekommen: z.B. eine eher glockenförmige Auftriebsverteilung statt elliptisch, die in jeden gepfeilten Flügel nahezu automatisch entsteht und zur Reduktion der Biegelasten führt. Im unbemannten Bereich sind Horten und andere Nurflügelkonzepte eher zu finden. Ich finde sie, so wie du, einfach nur schön und nach einigen Jahren intensiven Modellbau möchte ich sowas in Manntragend bauen.

Die Gründe warum sie weniger anzutreffen sind, sind sehr divers. Meine Hypothese hierzu ist recht einfach: Es gibt sie weniger, weil ihre aerodynamische Auslegung schwieriger ist, es gibt weniger Erfahrungswerte auf denen man zurückgreifen kann, die Berechnung der Struktur ist auch deutlich schwieriger. Auch, wer unbedingt das Verhalten eines Leitwerklers mit einem Nurflügel 1:1 nachempfinden möchte, der wird das nicht hinbekommen. Kurz gefasst übliche Leitwerkler sind sehr einfach zu entwerfen und zu bauen. Die Gefahr einen Griff ins Klo zu machen ist viel geringer. Die Vorteile der Nurflügel überwiegen einfach zu wenig, um wirklich das Risiko einer Fehlkonstruktion aufzuwiegen. Sehr hohe Gleitzahlen lassen sich viel einfacher mit einem Leitwerkler realisieren, weil das große negative Nickmoment der Hochleistungsprofile problemlos mit dem langen Leitwerk ausgeglichen werden kann. Das geht mit kurzen gepfeilten Flügeln nicht. Die Vorteile der Horten-Nurflügel sehe ich eher auf Reise. Dort spielt hoher Auftrieb bei wenig Widerstand (=hohe max. Gleitzahl) keine Rolle, sondern eher der geringe parasitäre und trimm Widerstand. Sie erreichen bei hohen Geschwindigkeiten noch sehr gute Gleitzahlen, was weniger Leistung und Verbrauch bedeutet. Wohlgemerkt das ohne "unendlich" hochgestreckte Flügel zu haben.

Wenn wir mal soweit mit der Flugerprobung sind, kannst du gerne mal vorbeischauen. Wo diese stattfindet steht noch offen.

@Tim: Ja, das mit der Schubachse ist so eine Sache. Einmal habe ich in einem Modell den Fehler gemacht, die Achse nicht passend zu wählen. Man konnte kaum im Langsamflug das Nickmoment ausgleichen. Durchstarten war immer sehr spannend. Nach einer Anpassung der Achse ging es. Das war ein Konzept mir einer unglaublich dicken Fläche. Wir haben sie Beluga genannt:

Die Schneewittchen ist bereit für die Leichlinger Lichtung. :D Die vorläufige Leistungmessung bezeugt dem Modell für die momentane Trimmung eine Gleitzahl von ca. 14,5 bei 52 km/h: 1m/s sinken bei 14,5 m/s Horizontalgeschwindigkeit. Eine andere Trimmung kann durchaus noch mehr Leistung haben. Die Flächenbelastung beträgt ca. 48 g/dm².

Übrigens, in Anklam wird ein Prototyp eines Flugzeug mit einem Antrieb im Heck ausgestellt, das ebenso dieses Problem hatte. Kennst du das?

Zurück zur Frage. Problematisch ist, dass die Wirksamkeit der Höhenruder mit dem Staudruck steigt, d.h. mit der zweiten Potenz der Geschwindigkeit. Das vom Propellerschub erzeuge Moment ist quasi unabhängig von der Geschwindigkeit. Gibt man Vollgas, so ist das letzte Moment sofort da, während die Ruder erst etwas Geschwindigkeit benötigen um entgegen zu wirken. Keine schöne Zusammenarbeit. Also verhindert man das vom Propeller erzeugte Nickmoment soweit wie möglich. Wie immer muss man Kompromisse eingehen. Der Propeller muss einen gewissen Abstand zum Boden in allen möglichen Gewichtskombinationen usw. haben (17 cm Sicherheitsabstand zum Boden). Einen kleine Prop möchte keiner, noch weniger mit E-Motor, weil der Wirkungsgrad mit dem Durchmesser überproportional steigt. Das Propellerlager muss nun mal höher liegen. Dann bleibt nur noch die Achse zu kippen. Das erzeugte Nickmoment hängt vom Abstand zwischen Schubachse und Schwerpunkt. Idealerweise geht die Suchachse durch den Schwerpunkt, denn dann kann kein Nickmoment erzeugt. Wir haben daher die Lage auf der Hochachse grob abgeschätzt und die Achse entsprechend gekippt. Das Motorlager hat mehrere Bohrungen, sodass man ggf. die Position mit geringen Aufwand umstellen kann. Perfekt kriegt man die Lage nicht hin. Im Modell der Schneewittchen war das aber kein Thema, im Gegensatz zur Beluga. Durch die gekippte Achse setzt man ein ganz wenig Schub in Abtrieb um. Mit einem Standschub von 600 N und im Flug deutlich geringer ist das aber vernachlässigbar. Hier beim Start kann man schön erkennen, dass die Lastigkeit kaum ein Thema ist:

Die Schneewittchen ist bereit für die Leichlinger Lichtung. :D Die vorläufige Leistungmessung bezeugt dem Modell für die momentane Trimmung eine Gleitzahl von ca. 14,5 bei 52 km/h: 1m/s sinken bei 14,5 m/s Horizontalgeschwindigkeit. Eine andere Trimmung kann durchaus noch mehr Leistung haben. Die Flächenbelastung beträgt ca. 48 g/dm².

Viele Grüße,
Andrés

p.s. Es wäre schön wenn man hier embedded Videos einfügen könnte und zwar für Youtube und Vimeo. Ich glaube man muss nur eine Extension der Boardsoftware installieren dafür und höchstens ein paar Codes definieren.
Zuletzt geändert von Andres am 10 Mai 2021, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Admin »

Danke für die ausführliche Antwort.

Das Moment aus Abstand Motorschub zum Schwerpunkt ist während der Beschleunigung massgeblich, im stationären Motorflug ist es dann eher der Abstand Motorschub zum zum Widerstandszentrum. Das lässt sich aber natürlich einfacher austrimmen und für deinen Flieger dürfte es recht dicht beieinander liegen.

Das mit dem Einbinden von Videos schaue ich mir bei Gelegenheit mal an.

UPDATE: Videos einbinden chon erledigt! :-)
Viele Grüße, Tim.
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Andres
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Andres »

Vielen Dank für die Video-Erweiterung! Die Hürde diese anzusehen ist kleiner bzw. die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie erst überhaupt von Querlesern wahrgenommen werden.

Zum Nickmoment:
Ja, genau. Die kleine Kabine ändert kaum das Widerstandszentrum der reinen Fläche. Das Fahrwerk und der Sporn dürften den Effekt +- ausgleichen. Daher reicht es sich die Momentenbilanz der Fläche + Propeller anzuschauen. Das My der Fläche inklusive Betrag vom Widerstand bekomme ich aus der 3D-Strömungsberechnung geschenkt, d.h. man muss sich nur eine ausgetrimmte Fluglage anschauen und das Moment vom Schub hinzunehmen. Die Steuerbarkeit ist gegeben, sodass die Beiträge vom Widerstand problemlos austrimmen/aussteuern kann. Idealerweise wird der Flügel so geschränkt, dass man keine Elevonausschläge für die zu erwartenden Reisegeschwindigkeit braucht. Damit reduziert man den Trimmwiderstand auf ein Minimum. Im Langsamflug ist der Widerstand klein und kann ignoriert werden. Aber dort ist die Ableitung dMy/dalpha besonders flach und das vom Propeller erzeugte Nickmoment daher besonders übel. Wenn man schnell unterwegs ist, greift das Quadrat der Geschwindigkeit und das Nickmoment des Schubes erzeugt nur kleine Anstellwinkeländerungen:

0 = dMy/dalpha * (alpha - alpha0) + S d

mit Schub S, Abstand d zwischen Schubachse und SP und getrimmter Anstellwinkel alpha0. Das My enthält bereits alle aerodynamischen Beträge.

Ob die Schubachse passt dürfte man daher mit kleinen Hüpfern sehr gut erkennnen.

Viele Grüße,
Andrés
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Andres
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Andres »

Hallo zusammen,

eine Schwierigkeit, die mit der Zeit klar wird und man unmöglich anfänglich erkennen kann, kommt vom Lauf der Zeit. Man hat Ideen für einen Eigenbau, man erkundigt sich wie man diesen zulassen kann, und fängt an zu Bauen. Soweit so gut, aber so ein Bau dauert Jahre oder eher ein Jahrzehnt, sofern man es nebenbei macht. In dieser Zeit ändern sich Bedingungen zum Teil sehr stark. Klar kann man den üblichen Weg gehen ein Projekt anzumelden und nach einer bestehenden Bestimmung stumpf zu bauen, aber die Deregulierung von den 120 kg UL hatte seinen Reiz. Bei uns ist es so gelaufen:
  • Entscheidung für 120 kg, da es weniger reguliert ist.
  • Idee: Bau und Zulassung nach LTF-L => Vmin < 55 km/h und daher 16,6 m² Fläche (!)
  • Irgendwann stellt sich heraus, dass niemand hier in Deutschland danach zulassen darf. Also sucht man Auswege ...
  • Über andere EU-Länder konnte man 120 kg viel einfacher zulassen, insbesondere Frankreich. Vmin <65 km/h möglich und viel weniger Stress. Kostet nur ein Obulus extra.
  • Irgendwann hatten die Franzosen verständlicherweise keine Lust mehr deutsche 120er zuzulassen und weisen neue Anmeldungen ab. Das ist meines Wissens nach der aktuelle Zustand.
  • Es bleibt zu hoffen, dass ich als französischer Staatsbürger dennoch zulassen kann oder ich muss nach LTF-UL 2019 bauen und zulassen.
Also, was ich damit meine ist, dass die Bedingungen sich schneller ändern, als man hinterher kommt. Das mag alles noch ertragbar sein, wenn man ein kommerzieller Hersteller ist, der die Entwicklung und Bau innerhalb von etwa 2 Jahren durchziehen kann. Das ist übrigens die Zeit, die eine Firma braucht, um einen neuen UL in die Luft zu bringen. Sie investieren viel Geld in gefrästen Formen, arbeiten Vollzeit im Team, und leisten viele Überstunden. Dementsprechend dauert es beim Selbstbau alleine oder nahezu alleine. Man kann nur nebenbei bauen, schließlich muss man für die Finanzierung auch anderweitig arbeiten. Wenn man alles zusammen mit der regulären Arbeit zählt hat man locker 60-70 Stunden Wochen. Urlaubszeit ist auch Bauzeit …

Eine der Folgen des oben dargestellten Wandels ist, dass wir viel zu viel Fläche haben. Diese wurde für 55 km/h ausgewählt. Nun dürfen wir nach den neuen Baubestimmung 83 km/h, was natürlich Quatsch wäre. Die üblichen 65 km/h wären schon mal besser. Dafür hätten wir problemlos 4 m² weniger gebraucht, was ohne übertreiben 10 kg bedeuten würde. Das wäre alles kein Problem, wenn man nicht unter 120 kg bauen muss, um die Vorzüge der Deregulierung zu haben. Da tut jedes qm sehr weh. Dennoch ist es für uns ein Vorteil, weil wir jetzt den gleichen Entwurf als Zweisitzer mit etwa 550 kg betreiben könnten. Viele Negativformen könnten wiederverwendet werden :D .

Egal, ich denke wir sind auf gutem Weg für 120 kg Leergewicht. Dennoch muss man immer einen Plan B haben, wenn man so lange am Flieger baut. Unser Plan B ist nunmal die verbesserte LTF-UL von 2019, und die bringt nicht nur Vorteile bezüglich Vmin, und MTOW, sondern auch neue Pflichten: Der Pilot muss jetzt bis 110 kg wiegen und es muss mindestens eine Stunde bei maximaler Dauerleistung geflogen werden können. Klingt wenig, aber wenn der Flieger leer nur 120 kg wiegt und man einen MTOW von 240 kg eingeplant hat, wird das sehr knapp. Das sind 10 kg mehr für den Piloten und 15 kg extra für einen zweiten Akkupack. Wir gehen nun von etwa 270 kg MTOW aus. Daher müssen wir mittendrin die Struktur neu rechnen :shock: .

Kritisch sind inbesondere die Bauteilgruppen, die nicht mehr getauscht werden können. Hierzu gehören die Stahlrohr-Holmbrücken, die fest im Mittelstück verbaut werden. Diese Teile sind nachträglich kaum zu verstärken:
P1080406_m.JPG
P1080406_m.JPG (50.11 KiB) 6288 mal betrachtet
Die Struktur ist durch Pfeilung und mehreren Holmen kompliziert zu rechen, weshalb ich mich bisher gedrückt habe. Seit einigen Tagen sitze ich wieder dran. Heute konnte ich unter gewissen Vereinfachungen immerhin die Schnittreaktionen für den Böenlastfall VB bestimmen. Gerne wird hierbei die Symmetrie des Problems ausgenutzt, um nur eine Hälfte der Fläche zu berechnen. Das ist in Ordnung, sofern man nicht unsymmetrische Lastfälle betrachtet. Es ist etwas Geduld und Handarbeit nötig, um das System sauber aufzustellen, insbesondere, wenn der Holm nicht einfach gerade wie in vielen Leitwerklern verläuft. Wenn man alles richtig gemacht hat, sind beide Flächenspitzen Kräfte- und Momentenfrei. Sie sind schließlich frei. Die Momente enthalten natürlich auch die Torsion. Spannend wird es wenn ein Querruder ausgeschlagen wird. Das ist aber die nächste Aufgabe ...

Ich möchte euch natürlich die Schnittreaktionen nicht vorenthalten. Sie sind spannend, weil man Effekte der Entpfeilung des Holms und der Glockenförmigen Auftriebsverteilung erkennen kann:
schnittreaktionen_VB_gesamt.png
schnittreaktionen_VB_gesamt.png (36.14 KiB) 6288 mal betrachtet
Eine übliche Auftriebsverteilung hat außen deutlich mehr Querkraft und erzeugt entsprechend ein deutlich größeres Biegemoment. Nachteil der Pfeilung ist aber, dass der Holm entpfeilt werden muss und dabei ein Teil der sehr hohen Biegemomente in Torsionsmomente und umgekehrt umgewandelt werden.

Viele Grüße,
Andrés
Zuletzt geändert von Andres am 14 Mai 2021, 08:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Admin »

Interessante Darstellung einer anderen Perspektive auf ein Amateur-projekt!
Kann ich so nur bestätigen!

Danke dafür Andrés!
Viele Grüße, Tim.
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Andres
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Re: Nurflügel Schneewittchen

Beitrag von Andres »

Hallo zusammen,

bevor man irgendwelche Lasten berechnet, ist ein V-n-Diagramm zu erstellen. Dieses Diagramm zeigt alle Flugzustände, die man sicher erfliegen darf. Das bedeutet, dass man darin kompakt alle zu beachtende Lastfälle findet. Daher ist es der Ursprung aller Festigkeitsberechnungen. Unser aktuelles V-n-Diagramm sieht wie folgt aus:
V-n.png
V-n.png (61.49 KiB) 6200 mal betrachtet
Es enthält zwei Belastungsarten in einem zusammengefasst: Abfang- und Böenlasten. Meistens ist der Böenlastfall bei einer 15 m/s Böe und der Bemessungsgeschwindigkeit VB kritisch. Hier nicht aufgezeigt sind die unsymmetrischen Lastfälle, d.h. die mit Querruderbetätigung. Meistens ist die Betätigung des Querruders bei der Bemessungsgeschwindigkeit VD bezüglich der Torsion kritisch, wobei der Böenlastfall VB oder die Betätigung von Flügelklappen unter Umständen etwas mehr Torsion erzeugen können. Daher müssen in der Regel alle Fälle betrachtet und bezüglich der Belastung verglichen werden.

Wir haben keine Wölbklappen und betrachten erstmal nur den typischen Böenlastfall. Oft sind die Lastvielfache im Böenlastfall höher als das sogenannte Abfanglastvielfache. Das letztere Entsteht, wenn man volles Höhenruder (bzw. Tiefenruder) bei der Bemessungsgeschwindigkeit VA (bzw. VG) gibt. Er ist von den Bestimmungen für ULs auf n1=4 festgelegt (bzw. auf n4=-2,0) . Das Lastvielfache kann bei einer Böe höher liegen, wenn das Flugzeug z.B. einen hohen Auftriebsanstieg hat, d.h. wenn eine Anstellwinkeländerung viel Änderung des Auftriebs erzeugt. Macht irgendwie aus dem Bauch Sinn, dass ein Flugzeug mit wenig Auftriebsanstieg durch eine Böen hindurch fliegen kann, ohne gleich viel drauf zu reagieren, während ein Flugzeug mit viel Auftriebsanstieg (z.B. Segelflugzeuge), nahezu in einem Aufzug hineinfliegt und stark auf die Böe reagiert.

Hier kommt wieder die Besonderheit eines gepfeilten Nurflügels zum Vorschein. Durch die Pfeilung ist der Auftriebsanstieg trotz guter Segeleigenschaften kleiner als im nicht gepfeilten Flügel. Dehalb ist das Böenlastvielfache kaum größer als das Abfanglastvielfache. Der Flügel geht einfach durch die Böen hindurch. Das bedeutet nicht, dass es nicht zu einer deutlichen Anstellwinkeländerung dabei kommt. Diese erzeugt aber eine geringe Auftriebsänderung, sodass man mit einem geringerem "Aufzugsgefühl" durch die Böe hindurch kommt. Das kann natürlich bei schwache Thermik für Segler nachteiliger sein. Für ein schneller Segler oder ein Motorflugzeug, dürfte das aber das sogar erwünscht sein.

Grundsätzlich geht man von Ecke zu Ecke im V-n-Diagramm durch, man bestimmt die im vorigen Post genannten Schnittreaktionen und die daraus resultierenden Gurtspannungen, Schubspannungen in Holmstegen, usw. Dazu vereinfacht man die Struktur des Flugzeugs soweit wie möglich auf Gurte, die axiale Kräfte aufnehmen können, und Schalen/Stege, die nur Schübe aufnehmen können. Üblicherweise ist der Aufbau mit einem Kastenholm sehr einfach. bei uns sieht es je nach Lage wie folgt aus:
schubmittelpunkt.png
schubmittelpunkt.png (52.18 KiB) 6200 mal betrachtet
Irgnorieren wir erstmal, die Angaben zum Schubmittelpunkt und der neutralen Faser. mir ging es erstmal nur um den Profilschnitt unten rechts im Bild: Eine D-Box und bis zu drei Holme.Die D-Box und der Schubsteg des Hauptholms sind mit einander verbunden, sodass eine gemeinsame Betrachtung von Nölten ist. Ein Statiker würde sagen, dass das System überbestimmt ist und man durch Hinzunahme der Steifigkeiten die Lasten bestimmen muss.

Ich erinnere das eigentlich Zeil: Sind unsere aktuelle Holmbrücken ausreichend? Um das zu beantworten, müssen leider alle Lasten mehr oder weniger bekannt sein. Grob gesagt, man muss die Festigkeit des Flügels auslegen und erst dann kennt man die Lasten, die in die Holmbrücken eingeleitet werden. Auch wenn ich hier anscheinend abschweife, geht es erstmal nur um die Holmbrücken. Wenn man nur einen Holm hat, wird das Biegemoment und die Quekraft vom einzigen Holm aufgenommen, d.h. die Berechnung der eingeleiteten Lasten ist unter Kenntnis der Luftkräfte recht einfach zu bestimmen, sie können ja nur in den einen Holm eingeleitet werden. Wenn man mehr als einen Holm hat, kommt natürlicherweise die Frage auf: Wer nimmt wieviel der Quekraft und des Biegemoments auf? Sprich, wie verteilt sich die Last in der Struktur auf. Das ist essenziell zu kennen, denn das schwächste Glied in der Kette bestimmt bekannterweise die Festigkeit vom Verbund: Ein super steifer und fester Hauptholm bringt nichts, wenn die kleine Schrauben hinten links bricht, sich der Flügel daraufhin drehen kann und alles dann versagt.

Als nächstes müssen die Schnittreaktionen wie erwähnt auf die unterschiedliche Holme verteilt werden. Erst dann wissen wir wieviel Kraft eingeleitet wird. Die Holmbrücken sind klassische Fachwerke und können mit freien Programmen oder wenn es sein muss auch per Hand berechnet werden.

@Tim: Gerne, Eigenkonstrukteure haben es nicht einfach. Sich verändernde Bestimmungen haben sicherlich den einen oder andere Erbauer schon geärgert :(

Viele Grüße,
Andrés
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